It is
incredible that there are still "lefties" who do not want to see the things
which were obvious for such people as Leon Trotsky and George Orwell already in
the 1930-ies. Text in German.
Tragischer Brudermord
Zu jW vom 7.1.: »Bandit und Anarchist«(…) Erstens: Der »ukrainische Nationalismus« war eine Schöpfung der Habsburger und Hohenzollern, die Anfang des 21. Jahrhunderts von der NATO wiederbelebt wurde. Zu Zeiten von Nestor Machno wurden »ukrainische Nationalisten« allgemein nur als solche von Deutschland geschaffenen Kreaturen angesehen. Also: Machno war ein russischer, kein ukrainischer Anarchist. Zweitens: Machno hat in zaristischen Gefängnissen mehrere Anarchisten kennengelernt, so Pjotr Arschinow, der als Ideologe der Machno-Bewegung galt und später ihre erste Geschichte geschrieben hat. Der »ungebildete« Volksheld Machno war demnach nicht allein in seinem Kampf für den Sozialismus, und ihn als »Banditen« abzustempeln ist ganz falsch. Drittens (…): Es gab, gibt und wird mehrere Strömungen des Kommunismus und Sozialismus geben, und Stalinismus ist keineswegs »richtiger« oder »wertvoller« als Anarchismus. (…) Die Zerschlagung aller anderen sozialistischen Strömungen (Sozialrevolutionäre und Anarchisten) durch die Bolschewiki im russischen Bürgerkrieg 1918–1922 war ein tragischer Brudermord (…). Der Schlusssatz, dass »kein Staat der Welt eine unkontrolliert auf seinem Territorium agierende Armee auf Dauer dulden kann«, wäre ein hervorragendes Argument für einen Noske, der die Novemberrevolution 1918 in Blut ertränkt hat, sowie für Macron, der den Aufstand der »Gelben Westen« zu zerschlagen versucht. Für Sozialisten taugen solche Ansichten nicht.
Alexej Brykowski, per E-Mail
* * *
Quoth Mr.
Gerd Bedszent:
"Leserbrief zum Artikel Aus
Leserbriefen an die Redaktion vom 10.01.2019:
Zum Leserbrief »Tragischer Brudermord«
Als
nachgewiesenermaßen kleinbürgerlich-stalinistischer Betonkopf und Rezensent
möchte ich zu den etwas wirren
Ausführungen von Alexej Bykowski einige richtigstellende Bemerkungen
nachschieben:
a) Ich habe selbstverständlich Bakunin und andere Klassiker des Anarchismus in meinem Bücherregal stehen, dazu mehrere diesbezügliche Geschichtswerke, auch die »Geschichte der Machno-Bewegung« von Peter A. Arschinoff (Unrast-Verlag, Münster 1998).
b) Ich habe an keiner Stelle meiner Rezension Nestor Machno als ungebildeten Banditen bezeichnet, lediglich geschrieben, dass bei gegen den Großgrundbesitz gerichteten Erhebungen der Agrarbevölkerung im zaristischen Russland die Grenzen zwischen Sozialrevolte und individuellem Banditentum fließend waren. Der Aufstand des Stephan Rasin im ausgehenden Mittelalter begann beispielsweise mit einem simplen Beutezug räuberischer Kosaken; dieser ging dann in einen Bauernkrieg über. Brykowski stört sich offensichtlich an der Überschrift meines Textes. Daher ihm zur Kenntnis: Bei Tageszeitungen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung, stammen Überschriften nie vom unterzeichnenden Autor, sondern fast immer vom verantwortlichen Redakteur.
c) Ich habe an keiner Stelle meiner Rezension geschrieben, dass Machno ethnischer Ukrainer war, lediglich betont, dass bei ihm keinerlei Sympathien für den ukrainischen Nationalismus nachweisbar sind. Der Streit, ob Machno nun Russe oder Ukrainer war, ist außerdem völlig unsinnig, da die Frage der ethnischen Zugehörigkeit für ihn offensichtlich keine Rolle spielte. Machnos Bauernarmee war eine gegen den Großgrundbesitz gerichtete soziale Bewegung, keine nationalistische, demzufolge, wie ich auch schrieb, multiethnisch zusammengesetzt.
d) Der (zweifelsfrei sehr unappetitliche) ukrainische Nationalismus ist nicht, wie Brykowski in seinem Leserbrief behauptet, eine künstliche Kreation des Habsburgerreiches (was bitte ist eine natürliche Kreation?), sondern (wie jeder bürgerliche Nationalismus) die begleitende Ideologie einer Entwicklung hin zu kapitalistischen Verhältnissen. Der oben bereits genannte Peter Arschinoff, führender Ideologe der Machno-Bewegung, bezeichnete in seinem Buch die nationalistischen Truppen des Pogromhelden Symon Petljura zutreffend als »Bewegung der nationalen ukrainischen Bourgeoise« (Seite 67). Als »Kunstprodukt des deutschen und österreichischen Imperialismus« (Seite 66) bezeichnete Arschinoff hingegen das zwischenzeitlich in der Ukraine installierte Regime des Hetmans Skoropadsky, der ein stockreaktionärer Interessenvertreter der adligen Großgrundbesitzer war. Ich selbst habe in meiner Rezension das hauptsächlich auf den Bajonetten deutscher Truppen ruhende Hetmanat daher als »Marionettenregime« charakterisiert.
e) Aus welchen Gründen Brykowski das damalige Bürgerkriegschaos mit der viel später stattgefundenen Kollektivierung in der Sowjetunion vermischt, erschließt sich mir nicht. Nur um der Klarheit willen: Die aufständischen Bauern wollten keine Kollektivwirtschaft, sondern den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der vormodernen Dorfgemeinschaft. Im übrigen ist die historischen Wissenschaft sich mittlerweile einig, dass die frühe Sowjetunion kein »feudaler Albtraum« war, sondern ein mit überaus brutalen Mitteln vorangetriebener Versuch, die unter der Zarenherrschaft zurückgebliebenen Regionen Osteuropas zu modernisieren. Dass eine solche Modernisierung und Industrialisierung eine Zentralisation der zersplitterten Agrarflächen einschloss, liegt in der Natur der Sache. Das besondere am osteuropäischen Weg in der Moderne lag nun darin, dass die kleinen Bauern nicht, wie zuvor in dem meisten westeuropäischen Staaten, vom Großgrundbesitz enteignet, sondern ihnen lediglich in Gestalt einer kollektiven Bewirtschaftung die Verfügungsgewalt über ihre Flächen genommen wurde. Und das bis heute andauernde Wehklagen über die Methoden dieser Zwangskollektivierung verschweigt schamhaft, dass sich dieselben Agrarflächen derzeit fast ausschließlich im Besitz mehr oder weniger krimineller Oligarchenclans und westlicher Agrarkonzerne befinden. Die finale Beraubung der osteuropäischen Agrarbevölkerung ist ganz neuen Datums und wird von den großen Medien kaum thematisiert.
f) Ja, ich habe als letzten Satz meiner Rezension geschrieben, dass »kein Staat der Welt eine unkontrolliert auf seinem Territorium agierende Armee auf Dauer dulden kann«. Ich habe dabei bewusst jede moralische Wertung vermieden, wohlwissend, dass bürgerliche Staatsapparate in der Durchsetzungsphase des Kapitalismus furchtbare Verbrechen begangen haben, unter anderem bei der massiven Enteignung der westeuropäischen Agrarbevölkerung (man lese dazu die entsprechenden Kapitel in »Das Kapital« eines gewissen Karl Marx). Das staatliche Gewaltmonopol ist allerdings eine Tatsache, egal wie man dazu steht. Ich wollte mit dem Satz auch nur verdeutlichen, dass der militärische Zusammenstoß zwischen der von den Bolschewiki kontrollierten Roten Armee und Nestor Machnos Bauernarmee letztlich unvermeidbar war – eine Erklärung, die der Herausgeber des von mir rezensierten Bandes komplett schuldig geblieben ist.
a) Ich habe selbstverständlich Bakunin und andere Klassiker des Anarchismus in meinem Bücherregal stehen, dazu mehrere diesbezügliche Geschichtswerke, auch die »Geschichte der Machno-Bewegung« von Peter A. Arschinoff (Unrast-Verlag, Münster 1998).
b) Ich habe an keiner Stelle meiner Rezension Nestor Machno als ungebildeten Banditen bezeichnet, lediglich geschrieben, dass bei gegen den Großgrundbesitz gerichteten Erhebungen der Agrarbevölkerung im zaristischen Russland die Grenzen zwischen Sozialrevolte und individuellem Banditentum fließend waren. Der Aufstand des Stephan Rasin im ausgehenden Mittelalter begann beispielsweise mit einem simplen Beutezug räuberischer Kosaken; dieser ging dann in einen Bauernkrieg über. Brykowski stört sich offensichtlich an der Überschrift meines Textes. Daher ihm zur Kenntnis: Bei Tageszeitungen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung, stammen Überschriften nie vom unterzeichnenden Autor, sondern fast immer vom verantwortlichen Redakteur.
c) Ich habe an keiner Stelle meiner Rezension geschrieben, dass Machno ethnischer Ukrainer war, lediglich betont, dass bei ihm keinerlei Sympathien für den ukrainischen Nationalismus nachweisbar sind. Der Streit, ob Machno nun Russe oder Ukrainer war, ist außerdem völlig unsinnig, da die Frage der ethnischen Zugehörigkeit für ihn offensichtlich keine Rolle spielte. Machnos Bauernarmee war eine gegen den Großgrundbesitz gerichtete soziale Bewegung, keine nationalistische, demzufolge, wie ich auch schrieb, multiethnisch zusammengesetzt.
d) Der (zweifelsfrei sehr unappetitliche) ukrainische Nationalismus ist nicht, wie Brykowski in seinem Leserbrief behauptet, eine künstliche Kreation des Habsburgerreiches (was bitte ist eine natürliche Kreation?), sondern (wie jeder bürgerliche Nationalismus) die begleitende Ideologie einer Entwicklung hin zu kapitalistischen Verhältnissen. Der oben bereits genannte Peter Arschinoff, führender Ideologe der Machno-Bewegung, bezeichnete in seinem Buch die nationalistischen Truppen des Pogromhelden Symon Petljura zutreffend als »Bewegung der nationalen ukrainischen Bourgeoise« (Seite 67). Als »Kunstprodukt des deutschen und österreichischen Imperialismus« (Seite 66) bezeichnete Arschinoff hingegen das zwischenzeitlich in der Ukraine installierte Regime des Hetmans Skoropadsky, der ein stockreaktionärer Interessenvertreter der adligen Großgrundbesitzer war. Ich selbst habe in meiner Rezension das hauptsächlich auf den Bajonetten deutscher Truppen ruhende Hetmanat daher als »Marionettenregime« charakterisiert.
e) Aus welchen Gründen Brykowski das damalige Bürgerkriegschaos mit der viel später stattgefundenen Kollektivierung in der Sowjetunion vermischt, erschließt sich mir nicht. Nur um der Klarheit willen: Die aufständischen Bauern wollten keine Kollektivwirtschaft, sondern den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der vormodernen Dorfgemeinschaft. Im übrigen ist die historischen Wissenschaft sich mittlerweile einig, dass die frühe Sowjetunion kein »feudaler Albtraum« war, sondern ein mit überaus brutalen Mitteln vorangetriebener Versuch, die unter der Zarenherrschaft zurückgebliebenen Regionen Osteuropas zu modernisieren. Dass eine solche Modernisierung und Industrialisierung eine Zentralisation der zersplitterten Agrarflächen einschloss, liegt in der Natur der Sache. Das besondere am osteuropäischen Weg in der Moderne lag nun darin, dass die kleinen Bauern nicht, wie zuvor in dem meisten westeuropäischen Staaten, vom Großgrundbesitz enteignet, sondern ihnen lediglich in Gestalt einer kollektiven Bewirtschaftung die Verfügungsgewalt über ihre Flächen genommen wurde. Und das bis heute andauernde Wehklagen über die Methoden dieser Zwangskollektivierung verschweigt schamhaft, dass sich dieselben Agrarflächen derzeit fast ausschließlich im Besitz mehr oder weniger krimineller Oligarchenclans und westlicher Agrarkonzerne befinden. Die finale Beraubung der osteuropäischen Agrarbevölkerung ist ganz neuen Datums und wird von den großen Medien kaum thematisiert.
f) Ja, ich habe als letzten Satz meiner Rezension geschrieben, dass »kein Staat der Welt eine unkontrolliert auf seinem Territorium agierende Armee auf Dauer dulden kann«. Ich habe dabei bewusst jede moralische Wertung vermieden, wohlwissend, dass bürgerliche Staatsapparate in der Durchsetzungsphase des Kapitalismus furchtbare Verbrechen begangen haben, unter anderem bei der massiven Enteignung der westeuropäischen Agrarbevölkerung (man lese dazu die entsprechenden Kapitel in »Das Kapital« eines gewissen Karl Marx). Das staatliche Gewaltmonopol ist allerdings eine Tatsache, egal wie man dazu steht. Ich wollte mit dem Satz auch nur verdeutlichen, dass der militärische Zusammenstoß zwischen der von den Bolschewiki kontrollierten Roten Armee und Nestor Machnos Bauernarmee letztlich unvermeidbar war – eine Erklärung, die der Herausgeber des von mir rezensierten Bandes komplett schuldig geblieben ist.
Gerd Bedszent
Veröffentlicht
in der jungen Welt am 11.01.2019."
* * *
Quoth The
Editor, "Junge Welt" daily newspaper:
"Leserbriefe
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Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die
Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu
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Nur
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* * *
An: JW-Leserbriefe - leserbriefe@jungewelt.de
Betr.: Meinungsaustausch mit Herrn Gerd Bedszent zu seinem
Artikel https://www.jungewelt.de/artikel/346689.ukrainischer-anarchist-bandit-und-anarchist.html
.
.
Auf mein gnadenlos zu 1/3 des Inhalts (190 Wörter) gekürztes
Leserbrief folgte eine mehr als dreifach große Salve (640 Wörter) von Herr
Bedszent. Es bedeutet, erstens, eine große Ehre für meine Nichtigkeit, und
zweitens, dass ich ihm Antwort schulde, die gerechtigkeitshalber veröffentlicht
werden soll.
.
.
Kern der Kontroverse: Herr Bedszent steht außerhalb der
sozialistischen Klassenposition. Der Staat auch heutzutage ist nur ein
Instrument der herrschenden Klasse und keine selbständige Gewaltmonopol (die
Herr Bedszent halluziniert) ausübt.
.
.
Diese Klassenposition lässt die Richtigkeit meiner von Herrn
Bedszent als "wirre Ausführungen" abgestempelten Argumente klar
sehen, und zwar:
- die Tatsache, dass alle "ukrainische
Nationalisten" seit 1890-gen Jahren von Österreichischen Monarchie massiv
unterstützt wurden, und Herr Petljura seit 1914 ein Agent der österreichischen
Armee war, der für seine "Sache" tausende angeblich "ukrainischen"
Kriegsgefangenen angeworben hat (genauso wie Herr "Sozialist"
Pilsudski - polnische Kriegsgefangenen aus der russischen Armee).
- Machno war wirklich
ungebildet (3 Klassen Dorfkirchenschule), weil er Sohn einer armen
kinderreichen Landarbeiterfamilie, also ein waschechter Proletarier war.
- ich muss hier meine von JW-Redaktion gestrichenen Thesen wiederholen:
1) "Lenins Position z.B. in "Staat und
Revolution" ist viel näher zu Anarchismus, als zum totalitären feudalen Albtraum
Stalins "Sowjetstaates" (zitiert
von Herr Bedszent!)
2) "die Wörter von Marx, dass jeder Staat eine
organisierte Gewalt der herrschenden Klasse ist und folglich gleichzeitig mit
der Aufbau des Sozialismus absterben soll. Die "Assoziation
freier Agrarkommunen" war nichts
anderes, als Lenins Kollektivierung der Agrarproduktion, die von Stalin zu
einer neuen feudalen Leibeigenschaft der "Kolchosen"
pervertiert wurde; schlimmer noch, Lenins Prinzip des demokratischen
Zentralismus wurde vom antikommunistischen Diktator Stalin zu einem
totalitären diktatorischen Zentralismus pervertiert." Mehr dazu in:
Trotsky, "Verratene Revolution".
.
.
Folglich, die These von Herr Bedszent: "der
militärische Zusammenstoß zwischen der von den Bolschewiki kontrollierten Roten
Armee und Nestor Machnos Bauernarmee letztlich unvermeidbar war"
unbegründet und stalinistisch, also antikommunistisch ist. Gewaltmonopol
eines Diktators und seiner Bürokratie ist grundsätzlich antikommunistisch, egal
welche Ideologie dabei als Feigenblatt fungiert.
.
.
Stalindiktatur zeigte wiederholt ihr antikommunistisches
Wesen, z.B. mit dem Brudermord im spanischen Bürgerkrieg, als sie in ihren
idiotischen Bemühungen um einen sog. "Volksfront" mit spanischer
Bourgeoisie ein regelrechter GPU-Jagd auf Anarchisten durchgeführt hat, was
Hauptursache des Sieges von Franco war.
.
.
Zum Schluss: "die Moderne" (Lieblingswort von Herrn
Bedszent) keineswegs
marxistisch, sondern ein Verwirrungsinstrument der bürgerlichen Propaganda ist,
genauso wie "Identitätenpolitik" und andere modische Wörtchen, die
Seiten von Blättern wie "Jungle World" füllen.
.
.
(weniger als 390 Wörter)
Mit freundlichen Grüßen,
Alexej Brykowski
14.01.2019